Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)

Bereits die Weimarer Republik hatte Gesetze zur Aufnahme von Schutzsuchenden. Durch die Machtübernahme der Nationalsozialist_innen im Januar 1933 kam es zu einen Bruch. Das Regime war nicht nur zutiefst asylfeindlich, sondern verfolgte auch Millionen von Menschen und trieb viele Hunderttausende ins Exil. Durch diese Erfahrungen geprägt, wurde 1948/1949 im Grundgesetz ein weitreichendes Grundrecht auf Asyl im Artikel 16 Grundgesetz verankert. „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“

In den 1970er Jahren stiegen die Anträge auf Asyl; 1980 lagen die Zahlen erstmals über 100 000. Im heutigen Vergleich eine sehr geringe Zahl, führte dies bereits zu verstärkt asylfeindlichen Debatten sowohl in den Parlamenten als auch in der Gesellschaft. Es wurde vermehrt vom „vollen Boot“ gesprochen, ein Bild, welches auch von den Medien verbreitet wurde.

Baden-Württemberg sticht in diesen Debatten als Vorreiter der restriktiven Politik gegen Asylbewerber_innen heraus. So erließ das CDU-geführte Innenministerium – ohne Druck der Bundesregierung – einen Erlass am 28.07.1980, welcher zur Folge hatte, dass ab dem 15.9.1980 Sammellager, Arbeitsverbot, Sachleistungsversorgung und Wohnsitzauflage eingeführt wurden. Die ersten Sammellager befanden sich zu dem Zeitpunkt in Konstanz, Tübingen, Donaueschingen und Karlsruhe. In Karlsruhe wurde zudem die „Zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge“ (ZAst) eingerichtet.

Bis zu dem Zeitpunkt der Arbeitsverbote sorgten ca. 80% der Asylsuchenden selbst für ihren Lebensunterhalt, was nun für viele nicht mehr möglich war. Baden-Württemberg ließ es sich ordentlich kosten, Asylsuchende von der Gesellschaft zu trennen, zu isolieren und zu unterdrücken. So überstiegen die anfallenden Kosten von durchschnittlich 1054 DM pro Kopf und Monat bei Weitem den Sozialhilfesatz bei individuellem Wohnen.

Die Bundesrepublik zog nach und am 1.8.1982 trat das Asylverfahrensgesetz in Kraft; das heutige Asylgesetz: „Ausländer, die die Anerkennung als Asylberechtigte beantragt haben, […] sollen sich im Regelfalle in Sammelunterkünften aufhalten.“ Gleichzeitig wurde die Residenzpflicht eingeführt (§ 56 AsylG, § 61 AufenthG). Dies steht im (vermeintlichen) Widerspruch mit:

  1. Artikel 26 Genfer Flüchtlingskonvention: „Jeder vertragschließende Staat wird den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden.“
  2. Artikel 7 der Menschenrechte: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung, die gegen diese Erklärung verstößt, und gegen jede Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung.“
  3. Artikel 13 der Menschenrechte: „Jeder Mensch hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und den Aufenthaltsort frei zu wählen.“

Seit dem 1.1.1989 stach Baden-Württemberg wieder negativ als Vorreiter durch das „Karlsruher Modell“ hervor. Die Zuständigkeit für alle in Baden-Württemberg gestellten Asylanträge wurden auf die Ausländerbehörde der Stadt Karlsruhe übertragen. Die Behörde befindet sich auf dem Gelände der ZAst, wo auch eine Außenstelle des Bundesamtes für die Anerkennung eingerichtet wurde. Rechtsanwalt Münch und damaliger Vorstand des Arbeitskreises Asyl in Baden-Württemberg äußerte sich hierzu wie folgt: Geflüchtete würden „[s]eit 1989 […] in zentralen Lagern isoliert, sie werden ohne seriöse Beratung durch das Verfahren geschleust, die Anhörungen dauerten nur wenige Minuten um damit schnellere Abschiebungen zu erreichen. Kurzum: Das Karlsruher Modell schließt ein vernünftiges Verfahren aus. Es ist überdeutlich, dass das Karlsruher Modell die grundlegenden Rechte der Flüchtlinge missachtet.“ Das Karlsruher Modell wurde letzten Endes am 1.10.1989 bundesweit übernommen.

Über Jahrzehnte hinweg gab es verbale und rechtliche Angriffe auf Asylsuchende und das Asyl als solches. Begleitet wurden diese parlamentarischen und medialen Angriffe von offener rassistischer Gewalt und es kam in vielen deutschen Städten zu rassistischen Angriffen und Brandanschlägen auf Unterkünfte für Geflüchtete, aber auch auf Migrant_innten, die keinen Fluchtstatus hatten. Mehrere Menschen wurden getötet oder schwer verletzt. Bekannte Angriffe waren zum Beispiel Mannheim-Schönau, Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda.

Die regierenden Parteien der CDU/CSU und FDP traten dem Rassismus nicht entgegen, sondern sahen das Problem bei Migrant_innen, besonders aber bei Asylbewerber_innen. Die Bundesregierung wollte das Asylrecht einschränken, wofür jedoch – da es sich um eine Grundgesetzänderung handelte – eine Zweidrittelmehrheit notwendig war. Die „oppositionelle“ SPD unterstützte das Vorhaben und so wurde am 26.5.1993 die faktische Abschaffung des Asylrechts beschlossen. Seitdem werden im Grundgesetz explizit „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ für „offensichtlich unbegründete Asylanträge“ genannt. Damit wurde der Tatbestand der „illegalen Migration“ grundgesetzlich festgeschrieben, welche insbesondere durch das Instrument der Abschiebehaft „bekämpft“ werden soll.

Am 1.7.1993 trat dieser mit u.a. diesen weiteren Folgen in Kraft:

  1. Drittstaatenregelung: Personen, die im Ursprungsstaat zwar politisch verfolgt werden, aber über einen „sicheren Drittstaat“ einreisen, dürfen keinen Antrag auf Asyl in der BRD stellen. Da die BRD von sicheren Drittstaaten umgeben ist, wurde es ausschließlich durch Luft- oder Seeweg möglich einen Antrag zu stellen.
  2. Sichere Herkunftsstaaten: Flüchtende aus „sicheren Herkunftsstaaten“ wird unterstellt, dass keine Verfolgung vorliegt. Bei individueller Prüfung muss der_die Asylbewerber_in erhebliche verfolgungsbegründende Tatsachen vortragen. Bundestag und Bundesrat legen per Gesetz fest, welche Länder als „sichere Herkunftsländer“ gelten. Die derzeitigen (Oktober 2022) sicheren Herkunftsstaaten sind: Mitgliedstaaten der EU, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien.
  3. Flughafenverfahren: Asylbewerber_innen, die am Flughafen ankommen, können bis zu 19 Tage festgehalten werden, um den Antrag zu prüfen. Da die Transitbereiche von Flughäfen als exterritoriale Gebiete gelten, können Asylverfahren vor der Einreise in die BRD durchgeführt und die Einreise verweigert werden.

Kurz darauf trat das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Kraft. Es beinhaltet Regelungen wie bundesweite Sachleistungsversorgung, Absenkung der Leistungen auf 75% der Bundessozialhilfe oder Leistungen zur medizinischen Versorgung werden nur bei akuter Krankheit bzw. akutem Behandlungsbedarf und bei schmerzhafter Krankheit gewährleistet.

Das AsybLG steht seit der Einführung unter Kritik, da es Asylbewerber_innen und Geduldeten viele Rechte beraubt. Laut Grundgesetz heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – mit dem AsylbLG ist sie seit dem 1.11.1993 antastbar, denn es wurden zwei Menschenwürden eingeführt.

Obwohl das hiesige Existenzminimum (ALG II, „Hartz IV“) bereits künstlich niedrig gerechnet wurde und nicht für ein menschenwürdiges Leben ausreicht, erhalten Personen im AsylbLG noch weniger. Das Bundesverfassungsgericht entschied bereits in 2012, dass auch „migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Flüchtlinge niedrig zu halten […] können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“

Im Jahr 2023 jährt sich die Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes zum 30. mal. Da alle Personen ins Sozialgesetzbuch gehören, ist das ein gegebener Anlass der Dringlichkeit Nachdruck zu verleihen, dass das AsylbLG abgeschafft werden muss.

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Quellen und weitere interessante Inhalte:

https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl193s1074.pdf%27%5D__1666777881878

https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/160780/vor-zwanzig-jahren-einschraenkung-des-asylrechts-1993/

https://taz.de/Asyl-nur-durchs-Karlsruher-Nadeloehr/!1779198/

https://www.bpb.de/themen/migration-integration/laenderprofile/deutschland/344086/flucht-und-asyl-in-deutschland/

https://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg12-056.html

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2019/11/ls20191105_1bvl000716.html