Widerspruch gegen zu geringe Leistungen für Alleinstehende in Gemeinschaftsunterkünften im Asylbewerberleistungsgesetz!

12. Dezember 2022

Das Bundesverfassungsgericht veröffentlichte am 24.11.2022 sein Urteil. Darin heißt es, die „niedrigere „Sonderbedarfsstufe“ für alleinstehende erwachsene Asylbewerber in Sammelunterkünften verstößt gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“

Leider urteilte das Bundesverfassungsgericht nur über den § 2, also bezogen auf Personen, die sich seit länger als 18 Monate in der BRD befinden.

Aufgrund der Begründung ist dieses Urteil jedoch unseres Verständnisses nach auf den § 3a, also bezogen auf Personen, die sich kürzer als 18 Monate in der BRD befinden, übertragbar.

Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vertritt in einer E-Mail an das Hessische Sozialministerium vom 1.12.2022 die Rechtsauffassung, dass daher die Grundleistungen bereits jetzt ebenfalls Regelbedarfsstufe 1 zu bewilligen sind. So schreibt das BMAS: „Die der Verfassungswidrigkeit der Norm zugrundeliegende Begründung, es gäbe keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass in den Sammelunterkünften regelmäßig tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften erzielt werden oder werden können, die eine Absenkung der Leistungen um 10% rechtfertigen würden, ist von grundsätzlicher Natur. Wir gehen daher von einer Anwendbarkeit des Beschlusses auch auf die Parllelregelungen in in § 3a Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 2 Nummer 2 AsylbLG für Leistungen im Grundleistungsbezug aus“.

Was nun? Es sollte Widerspruch eingelegt werden gegen Leistungsbescheide der Regelbedarfsstufe 2. Als Begründung kann der Auszug aus der E-Mail des BMAS verwendet werden. Bei Ablehnung des Widerspruchs, sollte Klage beim Sozialgericht eingelegt werden.

Die Frist für einen Widerspruch (bzw. danach eine Klage) beträgt normalerweise einen Monat. Diese Frist beginnt an dem Tag, an dem der_die Betroffene die Leistungsbewilligung zur Kenntnis nehmen konnte. Dies gilt nur für schriftliche Bescheide mit einer korrekten Rechtsbehelfsbelehrung.

Häufig gibt es jedoch in der Rechtsbehelfsbelehrung (RBB), wenn zum Beispiel:

– die RBB komplett fehlt,

– RBB unvollständig ist (zwingender Inhalt: Welcher Rechtsbehelf gilt? Welche Frist gilt? Wo muss der Rechtsbehelf eingelegt werden? Wie muss der Rechtsbehelf eingelegt werden (schriftlich, zur Niederschrift oder elektronisch?),

– RBB ist falsch (Fehler im Inhalt – auch nicht notwendige Infos in der RBB müssen vollständig und richtig sein),

dann gilt eine Widerspruchsfrist von einem Jahr.

Generell gilt ein Bescheid 3 Tage nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Bei tatsächlich späterem Zugang gilt der Tag des tatsächlichen Zugangs. Bestreitet die Behörde den tatsächlichen Zugangstag, muss sie beweisen, dass die betroffene Person lügt.

Quellen und weitere Informationen:

Des Weiteren gibt es hier schon einmal vorab zur Informatioen die geplante AsylbLG-Leistungssätze ab Januar 2023.

Schau auch gerne bei unserer Planung für die Kampagne zum 30 jährigen Bestehen des Asylbewerberleistungsgesetzes vorbei.

Du hast offene Fragen, hast Fehler entdeckt oder möchtest mitmachen? Schreib uns gerne eine E-Mail an: aks-freiburg@gmx.de

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Alleinstehende, die in Sammelunterkünften leben, erhalten seit September 2019 den Regelbedarfssatz 2 und damit 10% Prozent weniger Sozialleistungen als andere Leistungsberechtigte. Der Grund dafür ist so einfach, wie er falsch ist: Alleinstehenden Erwachsenen wird unterstellt, dass sie in Sammelunterkünften, analog zu Paaren, mit anderen alleinstehenden Erwachsenen wie eine Familie zusammenleben und somit Synergien beim Einkaufen, Kochen etc. entstehen, welche den Geldbedarf reduzieren.

Es ist offensichtlich, dass das eine abwegige Unterstellung ist. Bereits mehrere Sozialgerichte haben zu Gunsten der Klagenden entschieden und ihnen die rechtmäßig höheren Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 zugestanden (SG Landshut vom 24.10.2019; SG Hannover vom 20.12.2019; SG Freiburg vom 20.01.2020). Auch wurde angemerkt, dass „empirische Erkenntnisse dazu [fehlten], dass ausgerechnet die Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber regelmäßig bereit oder überhaupt […] in der Lage wären, mit völlig fremden Personen, mit denen sie zufällig die Unterkunft bzw. deren Gemeinschaftseinrichtungen teilen, in eine derart enge Beziehung treten, dass das Wirtschaften ‚aus einem Topf‘ – wie in einer Paarbeziehung – möglich wird“.

Das Sozialgericht Düsseldorf hat am 13. April 2021 dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Kürzungen mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums und dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar sind. Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidung zu Gunsten des Klagenden ausfällt und damit die Grundrechte von Geflüchteten gestärkt werden.

Widerspruch und Klage

Da davon auszugehen ist, dass nur denjenigen die Differenz der Leistungen rückwirkend genehmigt wird, die Widerspruch einlegen, wollen wir Geflüchtete darin unterstützen Widerspruch einzulegen und zu klagen.

Dafür haben wir eine Widerspruchsvorlage [Hier klicken] erstellt, die selbstständig genutzt und beim Amt für Migration und Integration eingereicht werden kann.

Sollte der Widerspruch abgelehnt werden, sollte Klage beim zuständigen Sozialgericht eingereicht werden. Für anfallende Gerichtskosten kann Prozesskostenhilfe beantragt werden, über den ein*e Anwalt/Anwältin finanziert werden kann.

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